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- Introduction
- Die Ausbildung
- Fotos
- Glossar 1
- Glossar 2
- Ausbildungsstätten
Kutiyattam - das klassische Sanskrit-Tanzdrama von Kerala
Im Jahre 2001 wurde Kutiyattam (koodiyattom, kutiyattam) von der UNESCO als eines der Meisterwerke des gesprochenen Wortes und des unantastbaren Erbes der Menschheit anerkannt. Die in Kutiyattam lebendige Tradition, in Sanskrit - neben Latein eine der ältesten Kultursprachen der Welt - geschriebene Dramen aufzuführen, ist stark mit Keralas Hindutempeln verbunden.
Kutiyattam ist eine theatralische Erzählform, die bereits vor dem
1o. Jhd. a.D. existierte und ist Indiens älteste Form des Theaters.
Kutiyattam wohnt die gleiche Freude an Vielschichtigkeit und
Facettenreichtum, Mehrdeutigkeit und Bedeutungsreichtum inne wie es
Kennzeichen vieler Sanskritwerke ist.
Es gibt klare Hinweise auf Bemühungen
von König Kulashekhara Varman (9./10.Jhd.) zur
Reform des Kuttiyattam.
Da solche Reformen eine seit langem bestehende Tradition
vermuten lassen, geht die Literaturwissenschaft von einer mindestens 1000-jährigen
kontinuierlichen Kutiyattam-Tradition aus. Damit ist Kutiyattam die älteste überlebende Form des Sanskrittheaters.
Die Aufführung
Die Aufführung eines Tanzdramas dauert gewöhnlich mehrer Tage, und die Darstellung eines einzelnen Aktes kann sich in der ursprünglichen Länge sogar bis zu 41 Tagen hinziehen.
Die Aufführung beginnt um 21 Uhr nach dem Ende von religiösen
Handlungen (Ritualen) im Allerheiligsten ( sanctum sanctorum)
des Tempels; sie dauert bis Mitternacht, manchmal bis 3 Uhr morgens, dem Beginn der Morgenrituale.
Der erste Tag kann die Form einer Opferdarbietung an die Tempelgottheit annehmen, mit einleitenden Anrufungsritualen und Präliminarien, - beispielsweise abstrakte Bewegungsrhythmen hinter einem Vorhang und ohne dass die Zuschauer irgendeine Handlung sehen.
Im nächsten Abschnitt stellt sich der Hauptdarsteller in seiner Rolle und mit seiner Geschichte vor, vielleicht mit Verweis auf sein Vorleben.
Der Chakyar-Schauspieler hat fast völlige Freiheit auf welche Sagen hinsichtlich des dargestellten Charakters er Bezug nimmt oder abstellt: er ist somit ein wichtiger Interpret der Rolle, die er verkörpert.
Eine vollständige Aufführung des Dramas von Anfang bis Ende erfolgt am letzten Tag.
Der Aufspielungsort ist der Kuttampalam genannten 'Tempel des Tanzdramas'. Es ist ein Gebäude innerhalb der Tempelgrundstücksmauern und nach Vorschriften, die sich an Natyashastra halten, gebaut
Sozialgeschichtliche Aspekte von Kutiyattam
Kutiyattam ist eine Kombination des Sanskrittheater-Konzepts, das nach genau einzuhaltenden religiösen Regeln und Ritualen ausgeführt wird, und einer eigenständigen Interpretation der Textvorgabe.
Hier finden wie auch die beiden unterschiedlichen Sichtweisen von Patriarchat (männliche Abstimmungslinien) und Matriarchat (weibliche Abstimmungslinien) wieder: Die Chakyars spielen die männlichen Rollen und sind die Hauptbewahrer der Kunstform, teilen sich jedoch die Bühne mit den Nangyars, Frauen von weiblichen Abstammungslinien und deren Männern, den Nambiar-Trommlern.
Während die Chakyars arischer Abstammung sind und deshalb vermutlich auch die Bewahrer der Sanskrittradition sind, sind die Nangyars Ortsansässige und ihre Einbeziehung spiegelt somit ein harmonisches Zusammentreffen von zwei unterschiedlichen Kulturen wider.
Zwar wurde die vedische Sanskrittradition bewahrt wurde und als Sakrileg angesehen, doch die eigenständige Interpretation der Textvorgabe durch den Schauspieler hat gleichzeitig dazu geführt, dass örtliche Vorlieben in Kutiyattam Eingang gefunden haben, bis es schließlich zu einer hochentwickelten Theaterform des südindischen Kerala assimilierte.
Die Kraft dieser Volkskunstwurzeln von Kutiyattam und Kuttu ist eine Erklärung dafür, dass diese Theaterform bis heute lebendig geblieben ist.
Padmasree Ammanur Madhava Chakyar
13. Mai 1917 - 01. Juli 2008
Padmasree Ammanur Madhava Chakyar war neben Parameshwar Chakyar und Mani Madhava Chakyar einer der drei herausragenden Kutiyattam-Meister seiner Generation.
In 1982 eröffnete er das mittlerweile bekannte Ammanur Chachu Chakyar Smaraka Gurukulam, Irinjalakuda, Trichurdistrikt.
Diese nach seinem Guru (Meister) und Onkel benannte Schauspielerschule ist eine Ausbildungsstätte für Kutiyattam und nicht mehr ausschließlich für Mitglieder der Chakyars and Nambiars reserviert.
Die Ausbildung
Um erfolgreich zu sein, muss der Schauspieler sich gut in der Natyashastra auskennen, der umfangreichen Abhandlung über die Dramaturgie
des Sanskrittheater, die von Saga Bharata zwischen dem 2. Jhd. B.C. und
dem 2. Jhd. A.D.geschrieben wurde. (Saga = Gelehrter, Weiser).
In Natyashastra werden vier Hauptarten der dramatischen Ausdruckskunst unterschieden:
angika = Körpersprache (Handgestik oder Mudras, Gesichtsausdruck/Mimik, Körperbewegung)
satvika = Verinnerlichung der Rolle bis hin zu unwillkürlichenkörperlichen Reaktionen wie Tränen, Schwitzen, Erbleichen, Halluzinationen
vachika = Vachikabhinayam = ritualistischer Gebrauch der Sprache
aharya = symbolischer Gebrauch der Farbe (Schminke des Gesichts), und des Theaterkostüms.
Alle diese Techniken sind Hilfsmittel des Schauspielers, die innere Komplexität der Charakterrolle kunstvoll zu entfalten.
Die Schauspieler
Die Schauspieler sind Angehörige der
Chakyar-Kaste, die wiederum der
Tempelbewohner-Kaste Ambalavasi zugeordnet ist, die Elite unter den Tempeldienern
Die Hingabe dieser Gemeinde von Künstlern, die ihren Beruf als
kuladharma (Familienpflicht) ansehen, erklärt die Bewahrung
der Theaterform Kutiyattam durch
die Jahrhunderte
Nambiars, eine Unterkaste von Trommlern unter den Tempelbewohnern,
stellen in dieser Theaterform die Spieler der mizhavu (eine
bauchvasenförmige große Trommel und eine unverzichtbare Besonderheit
von Kutiyattam).
Frauen der Nambiars spielen die weiblichen Rollen - im Gegensatz
zu der bekannteren und viel später aus dem Sanskrittheater abgeleiteten
Tanztheaterform Kathakali, wo auch die
weiblichen Charaktere von Männern übernommen werden. Außerdem
spielen sie die kaum handtellergroßen Bronze-Zimbeln (Becken).
Die meisten der 18 Chakyar-Familien und eine gleiche Anzahl von Nambiar-Familien
haben den althergebrachten Beruf im Verlauf der vergangenen 50 Jahre
aufgegeben. Dies ist im wesentlichen zurückzuführen auf den Bedeutungsverlust
des Tempels als gesellschaftlichem und religösem Zentrum und auf die gesellschaftliche
Entmachtung der Königs- und Fürstenhäuser und dem damit verbundenen
Ausfall von Förderern von Wissernschaft und Kultur, die aus ihnen hervorgegangen
waren. Lediglich die Ammanur-Familie setzt als einzige die
Schauspielertradition fort.
Aufführungselemente
Die Schauspielkunst in Kutiyattam basiert auf einer höchst entwickelten Gebärdensprache: stilisierte Gesichts- und Augenausdrucksformen, eine Handgestiksprache (Mudras), eine besondere Art des Sprechgesangs, ein kunstvoll entwickelter Kopfschmuck sowie der symbolische Gebrauch von Farbe in den geschminkten
Gesichtsmasken.
Wohlkalkulierte Bewegungen und gefühlsstarke Ausdrucksformen sind Besonderheiten dieses Tempeltheaterstils.
Anders als in dem bekannteren Kathakali übernehmen Frauen traditionell die Frauenrollen.
Die musikalische Begleitung
Das Hauptbegleitungsinstrument ist die Mizhavu-Trommel, die von den Nambiars im Bühnenhintergrund gespielt wird. Diese großen Trommeln haben große symbolische Bedeutung, setzen die Stimmung und unterstreichen die dramatische Entfaltung des
Stücks. Sie halten außerdem talam , das Rhythmusmuster.
Auf der linken Vorderseite der Bühne kann eine Nangyarfrau die Hauptverse in einem Sprechgesang vortragen und den Chakyar -Schauspieler mit Zimbeln begleiten.
Weitere Begleitinstrumente können die itakka (eine wie ein Stundenglas geformte
Trommel), die kuzhal (ein Oboe-ähnliches Blasinstrument) und die shankha (besondere Muschelform) sein.
Glossar
Koodiyattom - Koodiyattam - Kutiyattam / Koothu - Kuttu
abhinaya kalari | Werkstatt Theater |
Abhishekanatakam | Sanskritdrama by Bhasa (A.D.200) |
akkita | Verse der Verehrung der Gottheiten, die von einer Nangyar während 'nityakriya' rezitiert werden |
angikabhinayam | dramatische und komplexe Form mit Körperfiguren und Handgesten. |
anguliyankam | sechste 'ankam' of Ashcharyachudamani |
ankam | Akt des Dramas oder Spiels |
anukramam | 'nirvahanam' in umgekehrter Zeitfolge |
arangettam | das erstmalige Erscheinen eines Schauspielers auf der Bühne nach einer mehrjährigen rigorosen Ausbildung |
arangu tali | Sprenkeln von Wasser auf der Bühne durch einen Nambiar-Trommler, das das Ende der 'purva rangam' markiert |
Ashcharyachudamani | Sanskritdrama von Shaktibhadra (A.D. 800), das auf der Ramayana beruht - eine Aufführung, die zwölf Tage dauert. |
ashokavanikankam | fünfte 'ankam' von Ashcharyachudamani |
attaprakaram | eine ausführliche Handlungsanweisung für das dramatische Schauspiel |
balivadham | first ankam of Abhishekanatakam |
bhavatrayam | Gesichtsausdruck von Hilflosigkeit, Sorge oder Ärger |
Kalyanasaugandhikam | Sanskritdrama von Nilakandha Kavi, 16. Jahrhundert |
kuladharma | Familienpflicht |
kuthambalam | ein Theatergebäude, das speziell für die Aufführung von Kutiyattam und Kuttu innerhalb des Tempelkomplexes von wichtigen Tempeln in Kerala errichtet wurde und von denen 16 noch existieren. |
Malayalam | Regionalsprache Keralas |
mantrankam | dritte 'ankam' von Pratijna-Yaugandharayanam, eine 41-tägige Aufführung |
Mattavilasam kuttu | drei-tägige Aufführung eines einzelnen Schauspielers, auch als Opferhandlung 'vazhivatu'. |
Mizhavocchapettuka | das Trommeln in 'Eka talam' vor dem Beginn einer Kutiyattam-Aufführung |
mudra | die beschreibende und symbolische Bewegung von Händen und Fingern (Handgesten), um ein Objekt oder eine Handlung |
Nambiar | Mitglied der Kaste, die traditionell die 'mizhavu' spielt, das unverzichtbare Hauptinstrument für eine Kutiyattam-Aufführung |
Nagandam | Sanskrit drama von Sri Harsha, 7. Jhd. A.D. |
Nangiar | weibliches Mitglied der Nambiar-Kaste |
Natyasastra | die große Abhandlung über die Dramaturgie im Sanskrit von Saga Bharata, die zwischen dem 2. Jahrhundert v. Chr. und dem 2. Jahrhundert n. Chr. geschrieben wurde. |
netrabhinaya | Augenausdruck |
nilavilakku | Öllampe |
nirvahanam | Erzählung der der gegenwärttigen Darstellung vorausgegangenen Ereignisse in 'mudrabhinayam' |
nityakriya | Schritte und Gesten des Schauspüielers bei seinem Erscheinen auf der Bühne |
poorna chandra | Vollmond |
prabhandas | literarische Werke in Sanskrit für Tanz-Drama |
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Glossar - Fortsetzung
Pratijna-Yaugandharayanam | Sanskritdrama von Bhasa (A.S. 200) |
shurppanakhankam | zweite 'ankam' von Ashcharyachudamani, eine 15-tägige Aufführung |
Subhadra-Dhanajayam | Sanskritdrama von Kulashekhara Varma (A.D. 900), das auf der Mahabharata beruht |
purva rangam | Einführung |
shloka | vierzeiliger Vers |
swapnankam | fünfte 'ankam' von Swapnavasavadatta, eine eintägige Aufführung |
Swapnavasavadatta | Sanskritdrama von Bhasa (A.D. 200) |
Tapati Samvaranam | Sanskritdrama von Kulashekhara Varma (A.D. 900), eine auf der Mahabharata beruhenden 8-tägigen Aufführung |
toranayuddham | dritte 'ankam' von Abishekanatakam, eine 6-tägige Aufführung |
Udbhandanam | Zweite 'akanam' von Nagandam, eine 15-tägige Aufführung |
vaak | Wort oder Ton, wie in den Veden aufgeführt |
vazhivatu | Opfergabe an eine Gottheit, um eine bestimmte Gunst zu erlangen |
vidushaka | Clown, komische Charakter, Spaßmacher |
vizhakku | Lampe |
Ausbildungsstätten
Ammanur Chachu Chakyar Smaraka Gurukulam, Irinjalakuda, Trichurdistrikt | |
Natana Kairali, Irinjalakuda, Trichurdistrikt, ein Forschungs- und Ausbildungszentrum für traditionelle Künste, das seit mehr als zwei Jahrzehnten eine herausragende Rolle in der Bewahrung und Verbreitung vonKutiyattam einnimmt. Natana Kairali unter der Leitung seines initiativen Gründungsdirektors GopalVenu, bekannt als Venuji, selbst Schauspieler und in Kutiyattam von den Gurus (Meistern) Ammannur Madhava Chakyar und Ammannur Paremeswara Chakyar ausgebildet,< organisiert außerdem Theaterworkshops und Gastspielaufführungen in anderen Ländern, um diese Theaterform auch einem breiteren Publikum weltweit bekannt zu machen. |
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Kerala Kalamandalam, Cheruthuruthy, Trichurdistrikt ,ein angesehenes Zentrums für Indische Darstellende Kunst und Kultur und jetzt Universität. Liegt etwa 30 km nord-östlich von Trichur, der kulturelle Hauptstadt von Kerala und wurde im Jahre 1930 von dem verstorbenen Dichter Vallathol Narayana Menon und seinem Mitarbeiter Manakkulam Mukunda Raja als Staatlichen Akademie gegründet. Gilt als die Speerspitze einer Bewegung der kulturellen Renaissance in Kerala.
Kerala Kalamandalam gilt als beste Institution in Indien für Ausbildung und Vorführungen in Kathakali, Koodiyattam, Mohiniyattam, Panchavadyam und Thullal. |
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Margi, Thiruvananthapuram (Trivandrum), eine Organisation, die sich die Wiederbelebung und Verjüngung der klassischen Künste Keralas, wie Koodiattom und Kathakali zur Aufgabe gemacht hat. Der Name 'Margi' bedeutet im Sanskrit Streben nach ästhetischen Werten, die universell und immerwährend sind. | |
International Centre for Kutiyattam, Tripunithura, Ernakulam district |
Kuttu, Koothu
Kuttu, ein Ableger von Kutiyattamm, ist eine Solodarstellung, in der ein einzelner Schauspieler die verschiedenen Charakterrollen übernimmt. Es werden Werke der indischen Mythologie, Göttersagen, Epen ausgelegt, Parallelen zu gegenwärtigen Leben gezogen oder auf die Moral der Geschichte Bezug genommen.
Nangiar Koothu
Nangiar Kutte, das die Phantasie der Menschen in heutiger Zeit beflügelt, ist eine Solodarstellung einer weibliche Schauspielerin.
Die Textvorlagen sind Sagen aus dem Leben von Lord Krishna.
Usha Nangiar, eine Meisterschülerin von Ammanur Madhava Chakyarm, wird bereits mit dieser Theaterform gleichgesetzt.
Kunjipaalykutty Nangiaramma ist eine weitere bekannte Nangiar-Kutte-Schauspielerin
der jüngeren Zeit.
Chakyar (Prabandham) Kuttu
Chakyar oder Prabhandam Kutte, ist ein weiterer Ableger von Kutiyattam, macht den Vidushaka, den Narr oder Clown, zur Hauptfigur. Der Vidushaka macht sich unter Verwendung der regionalen Landessprache Malayalam >über die Gesellschaft Keralas lustig. Der Name dieser Theaterform bezieht sich zum einen auf die Herkunft der Schauspieler und zum anderen auf das Sanskrit werk für Tanzdrama, Prabhandas, das die Grundlage für die Erzählungen bildet